So könnten wir den Prämienschock behandeln

Für tiefere Prämien hilft weder ein Möchtegernmarkt noch ein staatliches Monopol: Prämienregionen könnten wie ÖV-Linien ausgeschrieben und für mehrere Jahre fix an eine Krankenkasse vergeben werden.

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Liebe Prämienzahlerinnen und Prämienzahler

Der Prämienschock ist gross. Fast alle sind von massiv höheren Krankenkassenprämien betroffen. In einer aktuellen Umfrage befürworten neuerdings 80% der Befragten eine Einheitskasse – in der Vergangenheit lehnte die Stimmbevölkerung eine solche noch deutlich ab. Die Diagnose, dass im Wettbewerb der Krankenkassen etwas schiefläuft, ist richtig. Es gibt aber eine bessere Behandlung als die Einheitskasse. Doch beginnen wir mit der Diagnose:

Wenn Sie zurzeit im öffentlichen Raum Plakatwände betrachten, erkennen Sie unschwer, dass die Versicherungen um Ihre Gunst werben. Neben grossflächiger Werbung setzen die Kassen zudem auf Makler, um anderen Anbietern Versicherte abzuwerben. Branchenkenner schätzen den Aufwand für Werbung und Maklerprovisionen im Jahr 2022 auf 100 bis 200 Millionen Franken.

Dieses Jahr dürften die Ausgaben bei den zahlreichen Wechselwilligen am oberen Rand liegen. Schliesslich gilt es, die Gelegenheit zu nutzen, sich einen höheren Marktanteil zu sichern. Rund ein Viertel der 9 Millionen Versicherten dürfte auf Ende Jahr die Kasse wechseln. Sie alle verursachen bei der bisherigen und der neuen Versicherung administrativen Mehraufwand. Nicht vergessen gehen dürfen die zahlreichen Verwaltungsratsgremien der 56 Anbieter, welche die obligatorische Krankenversicherung im Angebot führen: Auch sie wollen entschädigt werden.

Wer das alles bezahlt? Ja, das finanzieren wir. Mit unseren Prämien. 

Es sind sogenannte Overheadkosten, die wir getrost einsparen könnten ohne jegliche Einbussen in der Gesundheit und der medizinischen Versorgung.

Die Schweizer Bevölkerung wünscht und erwartet eine hohe Qualität der medizinischen Behandlungen und nimmt ungern Wartezeiten in Kauf. Die gesundheitliche Grundversorgung darf und soll uns etwas kosten. Die Grundversicherung ist in der Schweiz obligatorisch. Das hat die Schweizer Bevölkerung entschieden. Und daran soll auch nicht gerüttelt werden. 

Das Geschäft der Krankenkassen ist aber nicht diese geschätzte medizinische Leistung. Sondern die Abrechnung und Weiterverrechnung der Behandlungen. Im obligatorischen Bereich ist der Auftrag der Kassen klar vorgegeben und identisch für alle Anbieter. Weder können sie unterschiedliche Preise aushandeln noch die medizinischen Leistungen differenzieren. Der sogenannte Markt der Kassen in der Grundversorgung beschränkt sich auf gewisse Versicherungsmodelle und den Service – auf Freundlichkeit, Tempo oder digitale Tools. Die mögen sich unterscheiden, sie rechtfertigen aber nicht Kosten von jährlich mehreren Hundert Millionen Franken, die auf uns abgewälzt werden. 

Qualität und günstige Preise lassen sich nicht herbeizaubern, indem man künstlich einen Wettbewerb inszeniert. Im Gegenteil – das kann teuer kommen: Die Prämiengelder werden dazu verwendet, anderen Anbietern Marktanteile abzujagen.

Ein staatliches Monopol wie die Einheitskasse hätte aber ebenso unerwünschte Effekte zur Folge: Innovation, Arbeitseffizienz und Kundenfreundlichkeit blieben rasch auf der Strecke. Da müssen wir nur an unsere eigenen Erfahrungen auf Ämtern denken.

So könnte die Alternative aussehen: Prämienregionen werden in einem wettbewerblichen Verfahren an eine private Krankenversicherung vergeben. Jene Kasse, welche die günstigen Prämien und die gewünschte administrative Qualität anbietet, erhält den Zuschlag für die obligatorische Versicherung einer Gesundheitsregion für einen fixen Zeitraum. Danach wird der Auftrag neu ausgeschrieben. So wird sichergestellt, dass die Versicherungsleistung betriebswirtschaftlich effizient erfolgt. 

Die Aufteilung in drei bis sechs Regionen erlaubt, dass verschiedene Grundversicherer im Wettbewerb zueinanderstehen. Ihre Performance dient als Grundlage für die Beurteilung bei der Neuausschreibung. Und die Konkurrenz – die ja weiterhin Zusatzversicherungen anbieten und sich in diesem Bereich im Angebot differenzieren kann – belebt den Wettbewerb und versucht, beim nächsten Mal mit einem attraktiveren Angebot zum Zug zu kommen. Die unnötigen Overheadkosten für Werbung, Makler und das jährliche Wechselkarussell entfallen.

Die Vergabe an das beste Angebot ist keine neue Erfindung. Sie wird bereits erfolgreich dort praktiziert, wo mehrere Anbieter im Wettbewerb ökonomisch keinen Sinn ergeben, und es gilt, sparsam mit Steuergeldern umzugehen. Buslinien des regionalen Personenverkehres werden regelmässig öffentlich ausgeschrieben. Ein analoges Vorgehen bei der Versicherungsleistung in der gesundheitlichen Grundversorgung liegt nahe. Das ist nicht im Sinne der Versicherungen und ihrer grossen Lobby. Aber sehr wohl im Sinne der Prämienzahlenden. 

Was meinen Sie?

Mit freundlichen Grüssen

Kathrin Bertschy

Diese Kolumne erschien am 17.10.2023 im Tages-Anzeiger.