Tag 55, Tokio

Tokio: Hier im Land der aufgehenden Sonne ist man der westlichen Zeit immer ein paar Stunden voraus. Während die Sonne bereits ihren Höchststand erreicht, setzt in der Schweiz erst die Morgendämmerung ein. Die Japaner sind auch sonst oft der Zeit voraus: So eröffneten sie mit dem Shinkansen 1964 den ersten Hochgeschwindigkeitszug und sie gehören zu den Pionieren der Robotik. Heute tüfteln Forschende an einem High-Tech Teddybär, welcher in Zukunft älteren Menschen Gesellschaft und Pflegeleistungen in einem bieten soll. Das mutet futuristisch an. Doch bereits jetzt ist jede vierte Japanerin älter als 65. Auch beim demographischen Wandel ist Japan der westlichen Zeit voraus. Und hier lohnt sich gerade aus der Schweiz der genaue Blick:

Die japanische Altersvorsorge, die wie bei uns auf drei Säulen beruht, geriet ob der älter werdenden Gesellschaft schön länger aus den Fugen. Die Pensionskassen waren gezwungen, laufende Renten massiv zu kürzen. Um die Verluste aufzufangen, arbeiten heute viele Japaner effektiv bis ins 70. Lebensalter, obwohl auch in Japan das offizielle Pensionsalter bei 65 liegt. Statt die Herausforderungen grundsätzlich anzupacken, verkaufte die Politik kleine «Scheinreformen» als «Problemlösung». Dieser Unwillen der Politik schuf nicht nur eine Verlierergeneration, sondern am Ende auch grossen Vertrauensverlust in die Politik. Die Schweiz folgt, wenn auch zeitverzögert, Japan auf dem Weg des demographischen Wandels und offenbar folgen wir dabei auch der japanischen Politik der Scheinreformen.

Der Reformstau ist enorm, seit über 20 Jahren hat die Politik keine mehrheitsfähige Reform der Altersvorsorge mehr zustande gebracht. Die heutigen Vorsorgeversprechen sind finanziell nicht mehr tragbar und wir wissen es seit langem. Weiterhin nichts zu tun ist keine Möglichkeit. Statt Probleme schönzureden und der nächsten Generation Schulden zu vererben, sollten wir vom Beispiel Japan lernen und es besser machen. Indem wir die Altersvorsorge noch heute so erneuern, dass sie auch in wirtschaftlich schwierigen Phasen stabil ist und in der zweiten Säule nicht zu hohe Umverteilungseffekte zwischen den Generationen entstehen. Die Schweiz braucht einen neuen Generationenvertrag. Ich möchte im Ständerat gerne meinen Teil dazu beitragen, diesen mehrheitsfähig zu machen.